Bestimmung der Fluoreszenzlebensdauer

Nach der Absorption von Licht bleibt ein Molekül für eine gewisse Zeitspanne im elektronisch angeregten Zustand, bevor es die aufgenommene Energie wieder abgibt. Hierbei konkurrieren verschiedene photochemische Prozesse unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit miteinander. Neben strahlungslosen Deaktivierungen kann auch Licht z.B. in Form von Fluoreszenz emittiert werden.
Die Zeit, nach der die Zahl der angeregten Moleküle (n1) auf den Faktor 1/e (ca. 37%) abgesunken ist, nennt man Fluoreszenzlebensdauer (τfl):

n1(t) = n1(0) e(- t / τfl)

Das Abklingverhalten eines organischen Farbstoffs kann zu seiner Identifizierung herangezogen werden. Die Fluoreszenzlebensdauer (Fluoreszenzabklingzeit) ist jedoch keine unveränderliche Größe, sondern wird durch die Umgebung des Farbstoffes, d.h. Lösungsmittel und Temperatur, beeinflusst.

Die Fluoreszenzlebensdauern der ATTO-Farbstoffe liegen typischerweise im Bereich von Nanosekunden (10-9 s). Für unseren Katalog wurden die Werte für das Carboxy-Derivat in wässriger Lösung (PBS, pH 7.4) bei 22 °C mit dem nachfolgend beschriebenen Verfahren des „zeitkorrelierten Einzelphotonenzählens“ bestimmt. Es wurde hierfür das Lebensdauermessgerät TemPro von HORIBA Jobin Yvon verwendet.

 
Time correlated single photon counting (TCSPC)
Die Emission eines Fluoreszenzphotons nach der Anregung ist ein statistischer Vorgang. Somit ist die Dauer, die ein einzelnes Molekül im angeregten Zustand verbleibt, ebenfalls eine statistische Größe. Betrachtet man jedoch ein Ensemble von vielen identischen Molekülen, so ergibt sich eine wohldefinierte Zerfallsstatistik.
Bei der heute am häufigsten verwendeten Methode zur Messung der Fluoreszenzlebensdauer, dem TCSPC-Verfahren, wird diese Statistik sehr gut zeitaufgelöst – bis in den Picosekundenbereich (10-12 s) – und mit hoher Detektionsempfindlichkeit gemessen. Hierzu wird eine Probe mit periodischen, extrem kurzen Lichtpulsen bestrahlt. Nach der Anregung sendet die Probe Fluoreszenzphotonen aus. Es wird exakt die Zeitspanne gemessen, bis das erste Photon den Detektor erreicht. Diese Einzelereignisse werden gezählt, d.h. in ein Histogramm als „Count“ eingetragen. Bei der sehr häufigen Wiederholung solcher Einzelexperimente erhält man schließlich durch das Aufaddieren der Counts den exponentiellen Verlauf der Abklingkurve der Probe.


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Nach jedem Laserpuls und Zählvorgang muss die Messelektronik wieder zurückgesetzt werden. Während dieser Totzeit kann kein Photon registriert werden. Die Bedingungen werden daher so gewählt, dass nur etwa 1 Photon pro 100 Anregungspulsen detektiert wird. Bei einer höheren Rate würden sonst die kurzen Zeiten im Histogramm überbewertet und die Abklingkurve verfälscht („pile-up“). In der Praxis betreibt man die Messung häufig im so genannten „zeitinvertierten“ Modus, d.h. die Fluoreszenzphotonen starten die Zeitmessung während die von einer weiteren Diode registrierten Laserpulse die Zeitmessung stoppen.

Vor der Messung einer Farbstoffprobe sollten folgende Informationen zum Farbstoff vorliegen:

  • Absorptions- und Fluoreszenzmaximum, z.B. aus der Messung eines Absorptions- und Fluoreszenzspektrums der Lösung oder Literaturwerten.
  • ungefähre Größenordnung der Fluoreszenzabklingzeit, z.B. abgeschätzt aus vorhergehenden Messungen, Messungen an vergleichbaren Systemen oder Literaturwerten.

Die spektralen Daten bestimmen die Auswahl der Anregungslichtquelle – wofür man heute üblicherweise intensive Laser- oder Halbleiterdioden verwendet – und die Wahl eines Kantenfilters zur spektralen Selektion der Emission. Dieser Filter sollte so gewählt werden, dass er verhindert, dass gestreutes Anregungslicht auf den Detektor gelangt.

Neben der Wahl der passenden Anregungslichtquelle und des richtigen Kantenfilters sind weitere experimentelle Voraussetzungen zu beachten:

  • Die Probenlösung sollte eine Extinktion < 0.1 in der 1 cm-Küvette bei und oberhalb der Anregungswellenlänge aufweisen, um Reabsorption zu vermeiden. Eine verdünnte Lösung verhindert außerdem z.B. durch Aggregation und Konzentrationslöschung hervorgerufene Probleme.
  • Streuende Probenlösungen führen bei der Auswertung zum „Auftauchen“ von unerwartet kurzen Lebensdauern. Dies kann z.B. durch die µ-Filtration der Probelösung umgangen werden.
  • Normalerweise werden transparente Flüssigkeiten in der 90 °-Anordnung in 1 cm-Fluoreszenzküvetten gemessen.
  • Das Detektionszeitfenster sollte lang genug gewählt werden (mindestens 10000 Counts).

Bei Fluoreszenzlebensdauermessungen nach dem TCSPC-Prinzip ist es außerdem nötig, darauf zu achten, dass die Zählrate einen Wert von 2 % der Repetitionsrate der gepulsten Anregungslichtquelle nicht überschreitet. Hierdurch wird – wie oben erläutert – das sogenannte „pile-up“ vermieden.

Um die Zählrate zu verringern, kann

  • die Probelösung verdünnt werden.
  • ein Neutralglasfilter in den Anregungskanal eingesetzt werden, wodurch die Intensität des Anregungslichts verringert wird.
  • ein langwelligerer Kantenfilter in den Emissionskanal eingesetzt werden, wodurch der spektrale Bereich der detektieren Fluoreszenz verkleinert wird.

Zum Erhöhen der Zählrate bis an den 2 %-Wert können die umgekehrten Maßnahmen angewendet werden.

Bei Messungen von Fluoreszenzabklingzeiten sollte zur Bestimmung der Instrumentenfunktion, d.h. dem Ansprechverhalten der Elektronik, auch eine streuende Lösung – z.B. 0.01 % Ludox AS40 Kolloidales Siliciumdioxid in Wasser – gemessen werden. Das Ergebnis dieser Referenzmessung kann bei der späteren Datenauswertung softwaremäßig berücksichtigt werden.

Die Datenanalyse wird durch die mitgelieferte Software ermöglicht. Hierbei werden die gemessenen Datenpunkte durch eine Kurve gefittet. Der theoretische Verlauf der Fluoreszenzabklingkurve entspricht wie der radioaktive Zerfall einer Reaktion 1. Ordnung und ist daher mono-exponentiell. Es kann sich aber auch ein höher exponentieller Verlauf als besserer Fit für die Messpunkte ergeben. Dies kann z.B. beim Vorliegen von verschiedenen Spezies mit unterschiedlichen Fluoreszenzlebensdauern in einer Lösung der Fall sein.

Die nachfolgende Abbildung stellt beispielhaft die Messung einer Charge von ATTO 488 carboxy mit dem TemPro-Gerät dar. Man erkennt dabei die zuvor beschriebenen Parameter wie Detektionszeitfenster (Peak Count > 10000), Referenzmessung/Prompt mit der Ludox-Lösung sowie die Messung der Probe. Als bester Fit hat sich eine bi-exponentielle Auswertung mit CHISQ = 1.1 und gleichmäßig verteilter Standardabweichung herausgestellt. Die Fluoreszenzabklingzeit von ATTO 488 carboxy in wässriger Lösung (PBS, pH 7.4) bei 22 °C beträgt 4.1 ns mit einem relativen Anteil von 96.78 % bei dieser Probe.



Die Güte der in der Software gewählten Ausgleichskurve – und damit die Richtigkeit der ermittelten Fluoreszenzlebensdauer – wird u.a. durch den Parameter χ2 (CHISQ, XSQ) und die gewichteten Residuen angegeben.
Einen guten Fit erkennt man an:
  • χ2 < 1.2 und nicht wesentlich veränderlich beim Hinzufügen einer weiteren Komponente (mono-exponentiell -> bi-exponentiell etc.)
  • der gleichmäßigen Verteilung der gewichteten Residuen, Standardabweichung
  • Übereinstimmung mit früheren Messungen oder Literaturwerten
 
Die Anbieter kommerzieller Geräte stellen umfangreiche Handbücher und Produktdokumentation zur Verfügung, die üblicherweise die richtige Bedienung des betreffenden Apparates und der mitgelieferten Software ausführlich beschreiben. Durch die Beachtung der gegebenen Hinweise und z.B. dem Messen von Farbstoffen mit bekannten Fluoreszenzabklingzeiten erhält man die nötige Routine und Erfahrung, um mit der verwendeten Apparatur „richtige“ Lebensdauern zu messen.
 
Literatur zu TCSPC:
D.V. O’Connor, D. Phillips, Time-correlated single photon counting, Academic Press, New York (1984).
J.R. Lakowicz, Principles of Fluorescence Spectroscopy, 3rd Edition, Springer Science+Business Media, New York (2006).
W. Becker, The bh TCSPC Handbook, 4th Edition, Becker & Hickel GmbH (2010)
 
Literatur mit ATTO-Farbstoffen:
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S. Isbaner, N. Karedla, D. Ruhlandt, S. Stein, A. Chizhik, I. Gregor, J. Enderlein, Dead-time correction of fluorescence lifetime measurements and fluorescence lifetime imaging, Optics Express 24, 9429 (2016). → ATTO 647N, ATTO 655